Eigentlich hatte Chandra mir angekündigt, dass er heute morgen ins Fitness-Studio wolle und wir uns irgendwo in der Stadt treffen würden. Aber als ich um 10 aus meinem Zimmer luge, ist die Wohnzimmertür noch zu und seine Schuhe stehen noch da. Also lege ich mich wieder hin und wir stehen erst um 11.30 auf. So viel zum Thema gegen 13 Uhr bei der Kalligraphie-Meisterin sein. Bis wir mit den diversen Bussen und Bahnen bis Akabane gekommen sind, ist es 15 Uhr. Auf dem Weg dahin begegnen uns zwei kleine Umzüge: Trommeln auf
Rädern, von Kindern gezogen (na wahrscheinlich in Wirklichkeit eher
von ihren Eltern) Diesmal meint Chandra, ich sollte für den Kalligraphie-Unterricht etwas bezahlen: 1000 Yen kostet kengaku, eine Probestunde, und ich fülle dafür brav ein Anmeldeformular aus. Daran soll es nicht scheitern: umgerechnet 6 Euro für einen ganzen Nachmittag, das würde ich liebend gerne jeden Samstag bezahlen, wenn ich diese Schule nur vor meiner Haustür hätte. Nachdem wir die Meisterin förmlich begrüßt haben, darf ich wieder
an mein Tischchen – es ist dasselbe wie im letzten Jahr. Den
Vortrag über Tinte und Pinsel überspringen wir diesmal, aber wir
fangen noch einmal mit den vier grundlegenden Strichen an. Dazu
bekomme ich diesmal das Fünf Blätter voll den waagrechten Strich Ich lerne erst eines nach dem anderen in groß schreiben, was mich durchaus einige Zeit lang beschäftigt und wieder deutlich schwieriger ist, als es aussieht. Liebevoll hat sie es mir vorgemalt und dabei auch extra die Strichfolge danebengeschrieben – das wäre eigentlich nicht nötig gewesen, aber sie weiß ja nicht, wie intensiv ich die Kanji studiert habe. Absolut verblüffend ist es wieder einmal für mich, wie kontrolliert
und exakt sie den Pinsel führt. Na ja, sie ist ja nicht umsonst
Meisterin ihres Faches, aber trotzdem. Das klappt sogar, wenn sie, wie
sie das vorhin bei den einzelnen Strichen gemacht hat, den Pinsel mit
mir gemeinsam in die Hand nimmt und über das Blatt führt. In meiner
Hand dagegen benimmt sich dieser Pinsel wesentlich unzivilisierter,
macht viel zu dicke Linien mit weniger schönen Anfängen und Enden, na
ja. Der Unterschied zwischen Vorlage und meinen Versuchen ist
jedenfalls deutlich Chandra ist da auf einem ganz anderen Niveau. Ich schnappe zwischendurch auf, dass er wohl 3 Kyu erreicht hat, den dritten Schülergrad. Wäre es Judo, trüge er also schon einen grünen Gürtel ;-). Die Zeit vergeht wie im Fluge, und wie schon im letzten Jahr wird
etwas zu essen serviert. Und wie letztes Jahr fragt sie besorgt, ob
ich das essen kann, weil es ein wenig scharf ist. Ja, natürlich,
lecker! Sie ist glaube ich Koreanerin und es ist einiges Kimchi im
Essen Nach dem Essen meint Chandra, wir sollten allmählich mal los. Aber
die Meisterin hat noch eine Aufgabe für mich: Kleiner schreiben. Alle
vier gelernten Schriftzeichen auf ein Blatt. Sie betont, dass das viel
schwieriger sei, vielleicht, um mich auf die Enttäuschung
vorzubereiten. Oh ja, das ist viel schwieriger, und ich nehme all
meine Konzentration zusammen. Chandra hat schon zusammengepackt und
dies ist das letzte Blatt Papier, das ich habe, und so bleibt es bei
einem einzigen Versuch, den sie aber auch anerkennend würdigt Ich freue mich schon sehr darauf, in 14 Tagen noch einmal
wiederkommen zu dürfen (nächste Woche ist Feiertag oder so, jedenfalls
fällt es aus). Und nach einem förmlichen Abschied mit Verbeugung bis
auf den Boden ziehen wir los Richtung Shinjuku, wo wir uns ins
Nachtleben stürzen, ein paar lustige Japaner kennenlernen |
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Neu: Von meinem Handy aus kann ich mühelos Bilder per E-Mail verschicken. Christiane hat mir daraufhin ein Live-Fotolog eingerichtet: Nur vier Tastendrücke brauche ich und ein gerade gemachtes Foto landet sofort dort. Mal schauen, was ich in nächster Zeit alles erlebe. Wer sich das anschaut, ist natürlich erst recht in der Pflicht, mir eine E-Mail zu schicken und die Bilder zu kommentieren. Etwas bessere Fotos von der Spiegelreflexkamera gibt es natürlich weiterhin, meist auch etwas aktueller als der Text hier.