25.8., Traditionelles Handwerk

Das Thema des heutigen Tages lautet traditionelles Handwerk. Zu diesem Zwecke fahren wir nach Tokoname, einem kleinen Städchen(?), das von Okazaki aus in westlicher Richtung am Meer liegt. In einer Ecke haben sich dort sich die Töpfer versammelt, und für die Touristen schlängelt sich der yakimono sampomichi Foto dazu, der Töpfereipfad, durch enge Gässchen, vorbei an alten Häuschen mit kleinen Töpferwerkstätten Foto dazu. Früher lag dieser Stadtteil einmal direkt am Meer, aber inzwischen wurde das Ufer weiter aufgeschüttet. Und auf einer künstlichen Insel entsteht gerade ein neuer Flughafen, sodass es mit der beschaulichen Idylle bald vorbei sein dürfte. Jedenfalls mit der Ruhe.

Wir sind mit dem Töpfermeister Watanabe verabredet, der uns einen Einblick in seine Handwerkskunst geben soll Foto dazu. Mir war gar nicht klar, dass wir dabei sofort selbst etwas töpfern sollen; gleich als erstes fragt uns Watanabe sensei was wir denn eigentlich machen wollen. Ich entscheide mich für eine runde Reisschale und ein flaches, quadratisches Schälchen für Sojasoße oder Ähnliches.

Er führt uns vor, wie aus einem Klumpen Ton in wenigen Minuten eine hübsche Reisschale entsteht Foto dazu: Erst drückt er mit dem Daumen ein Loch in den Klumpen, zieht dann langsam die Wände hoch und drückt sie anschließend nach außen. Jetzt noch mit einem kleinen Lappen ein bisschen Feinschliff am Rand und fertig. Annegret hat sich für einen Becher entschieden, und auch der entsteht in Windeseile Foto dazu.

Aber natürlich sieht das einfacher aus als es ist. Als ich den Ton zum ersten Mal anfasse und behutsam versuche, ein Loch zu machen, eiert er doch ganz gewaltig rum. Nach ein, zwei Minuten habe ich den Dreh aber halbwegs raus. Von den Anweisungen, die mir mein sensei nebenbei gibt, verstehe ich leider wieder mal so gut wie gar nichts. Wozu habe ich eigentlich vier Wochen lang Japanisch gelernt? Eines Tages - ich bin wild entschlossen - werde ich diese Sprache meistern! Einstweilen verstehe ich nur yukkuri (langsam) und Stop. Und natürlich seine Gesten. Als ich das Ding zum ersten Mal durch eine unbedachte Bewegung deformiere, greift er ein und macht es mir wieder gerade Foto dazu. Es gelingt mir dann eigentlich recht gut, die Wände der Schale schön zur Seite zu ziehen Foto dazu. Aber als ich gerade denke, jetzt könnte die Schale wohl fertig sein, passiert mir wieder ein Ausrutscher und das Ding hat eine Delle. Diesmal gibts aber kein Zurück; er sagt (wie ich nur dank Declans Übersetzung verstehe), dass auch er manchmal zu unerwarteten Ergebnissen gelangt und dieses Ding jetzt einfach fertig ist Foto dazu.

Die quadratische Schüssel forme ich, indem ich den Ton zunächst zu einer Art Pizza breitklopfe Foto dazu und ihn dann über eine Form modelliere Foto dazu. Das Ergebnis sieht noch weniger ansprechend aus als meine Teeschale, denn mir hatte vorher keiner gesagt, dass ich gleich von Anfang an auf die Ränder meiner Pizza achten muss, da diese nachher die Ränder meiner Schale bilden und nicht mehr nachgebessert werden.

Wir dürfen uns noch eine Glasur für unsere Meisterwerke aussuchen Foto dazu und erfahren, dass sie im Laufe der nächsten zwei Wochen gebrannt und glasiert werden und wir sie dann tatsächlich als Souvenir zugeschickt bekommen sollen. Das ist ja ein wirklich netter Service. Declan warnt aber, dass das nicht immer gelingt: So manches Erstlingswerk eines Töpferlehrlings zerbricht beim Brennen, und es hat nicht allzu viel Sinn, einen Scherbenhaufen um die halbe Welt zu schicken. Ich bin gespannt, ob ich irgendwann im Oktober ein Päckchen mit einer selbstgezimmerten Reisschüssel bekomme.

Nach einer Riesenportion hausgemachtem Foto dazu raamen zum Mittagessen haben wir bei Link zu YamasaKunizakari Foto dazu einen Termin für eine Sake-Probe. Nachdem Declan uns durch das Museum geführt und den Herstellungsprozess erklärt hat, stehen wir vor mehr als 10 Flaschen Sake und dürfen nach Herzenslust probieren Foto dazu. Ich erfahre bei dieser Gelegenheit so manches über Sake, was ich noch nicht wusste. Zum Beispiel, dass man ihn nicht nur im Sommer kalt trinkt, sondern der gute Sake auch im Winter kalt schmeckt. Lediglich den weniger wertvollen Sake wärmt man im Winter an. Anders als Wein wird Sake durch lange Lagerung nicht besser. Man trinkt ihn also am besten frisch, und laut Declan merkt man einem Sake schon ein halbes Jahr Lagerung an. Älter als zwei, drei Jahre sollte man ihn auf keinen Fall werden lassen. Wozu wird schließlich jedes Jahr neuer Sake produziert?

Ich muss an Norberts Sake-Vorräte denken und nehme mir im Stillen vor, eine eventuelle Einladung dann doch dankend abzulehnen. Zumal ich bei der Sake-Probe bemerke, welche erstaunliche Geschmacksvielfalt es hier gibt. Wie beim Wein tendiere ich zu den eher trockenen Sorten. Anders als beim Wein ist mein Favorit hier aber eine der billigsten Flaschen. Ich überlege noch, ob ich ein Fläschchen davon kaufen soll, lasses es dann aber doch bleiben, denn wann soll ich den trinken? Dafür wären ja quasi nur noch zwei Abende Zeit, wenn ich die Flasche nicht mitschleppen will, und schleppen will ich mit meinem kaputten Schlüsselbein definitiv so wenig wie möglich.

Nach einem kurzen Nickerchen während der Autofahrt - der Sake ist mir doch irgendwie zu Kopf gestiegen - ist als nächstes Traditionsunternehmen yoshihama ningyoo an der Reihe Foto dazu. Hier werden kunstvolle Puppen gefertigt. Das ganze fünfstöckige Haus ist ein Puppenmuseum, und wir beginnen unsere Besichtigung auf dem Dach, wo die Familie sogar einen eigenen Schrein hat Foto dazu. Die Puppen und insbesondere ihre Gewänder sind sehr aufwendig gemacht Foto dazu. In einem Stockwerk sehen wir die Geschichte Japans in Puppen Foto dazu, ein anderes stellt ein rauschendes Fest dar, das auf dem Foto Foto dazu noch echter wirkt als im Original (liegt vielleicht daran, dass man es von Fotos gewohnt ist, dass sie sich nicht bewegen, während es bei den Puppen schon auffällt, dass sich das Arrangement nur starr im Kreise dreht).

Die Rückfahrt führt uns wieder durch diese große Ebene, wo sich Industriegebäude mit Reisfeldern abwechseln Foto dazu. Wegen dieser Koexistenz von Landwirtschaft und High-Tech nennen die Leute ihre Gegend das Dänemark von Japan (hier ist vielleicht ein ähnlich gebildeter Geograph am Werke gewesen wie beim japanischen Rhein, den wir gestern gesehen haben).

Und um die Ähnlicheit zu Dänemark zu unterstreichen, hat die Stadt, als sie einmal zu viel Geld hatte, einen Park namens Denpark angelegt. Der sieht so aus, wie die Japaner sich Dänemark vorstellen, beziehungsweise Europa. Die Bilder mögen hier für sich sprechen Foto dazu Foto dazu Foto dazu. In einer Brauereigaststätte Foto dazu lädt Declan uns zu einem kleinen Bier ein, und wir bewundern auf der Speisekarte die "original dänischen" Gerichte und die Tatsache, dass auf den Tischen original dänische Essstäbchen bereitliegen ;-).

Heute war zur Abwechslung mal ein kurzer Tag, und wir sind schon um 18 Uhr wieder zu Hause. Das ist gut, denn dies ist praktisch mein letzter geruhsamer Abend im Studentenwohnheim, und ich muss mich um meine Wäsche kümmern.

Hierzu auf Wunsch eines einzelnen Herrn ein paar Details: Nachdem ich neulich den Waschsalon studiert und über der Bedienungsanleitung der Waschmaschinen sinniert hatte, habe ich mich mittlerweile entschieden, die Waschmaschinen im Studentenwohnheim zu benutzen. Und hier gibt es bei der Bedienung nun wirklich nichts falschzumachen, denn sie haben überhaupt keine Bedienelemente. Das heißt doch, einen Knopf haben sie Foto dazu. Ich habe aber noch nie draufgedrückt. Wäsche und Waschpulver rein, Geld einwerfen und sie wäscht. Während ich in Deutschland zwischen Buntwäsche, Pflegeleicht und Gott weiß was sowie zwischen Temperaturen von 30 bis 95 Grad entscheiden muss, gibt es hier keine Wahl. Ob die Maschine wohl kalt wäscht? Egal, meine verschwitzten Klamotten riechen hinterher wieder frisch. Ob allerdings Flecken rausgehen würden, wenn ich denn mal irgendwo welche hätte, ist doch zweifelhaft.

 

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©2004 by Harald Bögeholz