Heute fahren wir gen Norden und besichtigen in Komaki Penis und
Vagina - Verzeihung, Tagata jinja und Oagata
jinja, zwei Shinto-Schreine, die der Fruchtbarkeit gewidmet sind.
Hier fährt man hin, um den Gott um ein Kind oder die Gesundheit
eines Kindes zu bitten oder sich für ein Baby zu bedanken. In
Tagata jinja - nur von unwissenden Ausländern
Penis-Schrein genannt - wird der riesige Holzpenis Jahr für Jahr
erneuert; die alten werden nicht verbrannt, sondern an irgendwelche
Leute verteilt, die sie aufbewahren. Während des Festivals tragen
die Einheimischen den mikoshi mit dem Holzpenis quer durch die Stadt zu
dem bei den Touristen - weil wesentlich subtiler in seiner
Symbolik - weniger bekannten
Oagata jinja. Die eine Gottheit geht also die andere
besuchen.
Bei Tagata jinja streicheln die Männer zwei
Marmorkugeln und bitten die Gottheit um ein gesundes Kind ,
während für die Frauen bei Oagata jinja zum selben
Zweck ein kleines Tor zum drunter Durchkriechen bereitsteht . Annegret
verzichtet, vielleicht weil sie Angst hat, dass es funktionieren
könnte (sie ist erst 19 und will natürlich noch kein Kind),
und ich habe mit Kindern ja auch nicht viel am Hut. Der hiesige
mikoshi ist ein ziemlich großes Gestell auf Rädern ;
wenn diese Gottheit beim jährlichen Festival auf Reisen geht,
sind 50 bis 100 Männer nötig, um den Schrein zu ziehen.
Weiter gehts nach Inuyama, wo wir zunächsts einen historischen
Teegarten besichtigen. Am Eingang müssen wir unsere Schuhe
aus- und die bereitstehenden Sandalen anziehen - ist das wirklich
deren Ernst? In irgendwelchen Innenräumen mag die Sitte des
Schuhausziehens ja noch einen gewissen Sinn haben, damit der Dreck
draußen bleibt, aber hier? Hier könnte ich mir allenfalls
vorstellen, dass es den umgekehrten Sinn hat, nämlich, dass meine
weißen Schuhe nicht dreckig werden, wenn ich durch den sumpfigen
Garten stapfe. Aber die Japaner denken vermutlich nicht an die
Sauberkeit meiner Schuhe, sondern das Schuhausziehen hat wohl doch
eher eher eine symbolische Bedeutung. Die Sandalen sind jedenfalls
recht klein und unbequem, und andauernd hat mein Kieselsteine zwischen
den Zehen . Vielleicht ist ja auch das die Absicht, dass man den Garten
über die lästigen Kiesel quasi gefühlsecht zu
spüren bekommt.
Der Garten ist ganz nett , wobei ich mich wundere, dass doch recht
viel Laub herumliegt . Der Vorgarten des
benachbarten Hotels wirkt da gepflegter, ich könnte mir aber auch
vorstellen, dass das Laub da liegt, weil es zum beabsichtigten
Erscheinungsbild gehört. Eine der Attraktionen ist ein kleiner
Brunnen, wo aus einem Bambusrohr Wasser auf eine Kelle
läuft . Die Tropfen, die davon in
das darunterliegende Becken fallen, haben einen ungewöhnlich
melodischen Klang, als würde jemand die Saiten eines
Musikinstruments zupfen (steht für die Tauben auch extra auf
einem Schild ). Das muss an der
besonderen Form des Beckens liegen.
Nach einem kurzen Fotoshooting am Fluss - während Declan und
Annegret einen kleinen Spaziergang machen, warte ich geduldig mit
meinem Teleobjektiv, bis der Fischreiher, den ich vorhin gesehen habe,
sich noch einmal blicken lässt - gehts erst mal ins Kakamigahara
Aerospace Museum . Wie in allen Museen wird dort die Freude dadurch
leicht getrübt, dass alle Schilder nur in Kanji sind; lediglich
die Typenbezeichnungen der ausgestellten Flugzeuge und Hubschrauber
kann ich lesen . Wenn ich es recht verstehe, ist Kakamigahara das
Zentrum der japanischen Luftfahrtentwicklung, und viele der
ausgestellten Flugzeuge wurden hier auf dem nahegelegenen Flugplatz
erstmals getestet. Auch heute herrscht dort reger Flugbetrieb ; das
muss wohl ein Militärflugplatz sein, denn es handelt sich
überwiegend um Düsenflugzeuge.
Ich habe viel Spaß bei einem "Flug zum Mars": Die haben hier
solche hübschen Simulatoren, wo man drin sitzt und einen Film
sieht und passend dazu durchgeschüttelt wird . Die Bewegungen sind
allerdings etwas heftiger als ich mir vorgestellt hatte. Um meine
Schulter zu schonen, fasse ich mit der rechten Hand meinen Gürtel
an und presse den rechten Arm gegen den Körper. Der andere,
größere Flugsimulator macht weniger Spaß, weil die
Grafik auf einem Stand von vor mindestens fünf Jahren ist und
sich das Ding auch weniger authentisch bewegt.
Nach diesem Ausflug in die Moderne gehts zurück nach Inuyama,
wo die Festung auf uns wartet, eines der vier berühmten "national
treasures". Sie liegt ganz oben auf dem Hügel und bietet einen
wunderbaren Blick über den Fluss , und in der anderen Richtung
kann man bis nach Nagoya sehen . Da wir noch viel Zeit haben - die
gebuchte Bootsfahrt beginnt erst um 18 Uhr - halten wir uns lange oben
auf und genießen die Aussicht, und ich nutze die Gelegenheit,
mit meinem Teleobjektiv einem Greifvogel nachzustellen, der hier seine
Runden dreht . Die Gelegenheit, einen fliegenden Vogel von oben zu
fotografieren, hat man auch nicht alle Tage.
Den Fluss, eigentlich Kisogawa, hat laut einem Schild, das uns
Declan vorliest, ein berühmter Geograph den Japanischen Rhein
getauft . Schließlich gibt es
hier ja auch ein Schloss ;-). Nachdem wir gegen 17:30 aus der Festung
rausgeworfen werden, warten wir in einem Aufenthaltsraum noch ein
halbes Stündchen auf unsere Bootsfahrt. Declan trinkt ein
"Inuyama Loreley Beer", das es tatsächlich in der
Geschmacksrichtung "Weizen" gibt (ist in Katakana
geschrieben und beginnt mit einem u mit zwei Strichelchen, einer
Schreibweise, die ich bisher nicht kannte, aber mit der die Japaner
wohl neuerdings die Aussprache eines richtigen Weizen-W
ausdrücken können; in meinem Japanischbuch gibts das aber
noch nicht). Ich selbst denke mir, dass ich nicht ausgerechnet in
Japan eine überteuerte Imitation eines deutschen Weizenbiers
probieren muss und trinke ein Asahi, nicht ohne einen Schluck von
Declan zu probieren und festzustellen, dass der Geschmack
tatsächlich an ein Hefeweizen erinnert.
Die Bootsfahrt macht einen Heidenspaß. Das Boot ist mit
Tatami ausgelegt, und wir müssen natürlich die Schuhe
ausziehen. In der Mitte steht eine Reihe bereits gedeckter
Tische , und die mitreisenden
Japaner sind schon fleißig beim Essen. Ein wirklich
vorzügliches und reichhaltiges japanisches Abendessen , während unser
Bötchen den Fluss rauf und runter schippert und die Sonne
untergeht, das hat schon was ! Nach dem Essen legen wir
nochmal an und machen eine Toilettenpause, während der
fleißige Heinzelmännchen die Tische entfernen, sodass wir
uns etwas freier auf dem Boot bewegen können.
Mittlerweile ist die Sonne untergegangen, und wir freuen uns auf
die Hauptattraktion des heutigen Abends: Kormoranfischen. Diese Art Fische
zu fangen hat eine Jahrhunderte alte Tradition, ist aber seit etwa 30
Jahren nur noch eine Touristenattraktion, denn es gibt fürwahr
einfachere Arten, Fische zu fangen. Wie der Name schon sagt, benutzt
man zum Kormoranfischen Kormorane. Ja, es sind wirklich die Vögel
gemeint. Sie sind darauf abgerichtet, Fische zu fangen, und tragen
einen Ring um den Hals, über den sie an einer langen Leine
angebunden sind. Der Ring bewirkt außerdem, dass sie große
Fische nicht runterschlucken können.
Kormoranfischen funktioniert also wie folgt: Vorne am Boot brennt
in einem Metallkorb ein Feuer, um die Fische anzulocken . Der Fischer
wirft so um die 10 Kormorane an langen Leinen ins Wasser, die
daraufhin eifrig nach Fischen tauchen . Kleine Fische können sie
wohl runterschlucken, aber wenn einer einen großen gefangen hat,
dann wird er flugs aus dem Wasser gezogen und muss seinen Fisch
abgeben . Für mich klingt das ziemlich grausam, aber Declan
erklärt mir, dass die Vögel auf diese Weise eigentlich mehr
zu fressen bekommen als in freier Wildbahn, denn das Feuer erleichtert
das Fischen sehr. Und der Ring um den Hals ist wohl nicht besonders
eng, sodass die Kormorane sich nebenbei an kleinen Fischen satt essen
können.
Der Fischer achtet genau darauf, welcher seiner Vögel die
meisten Fische fängt, und anscheinend sind die Viecher darauf
abgerichtet, um die Wette zu fischen. Nachdem die ganze Aktion
vorüber ist, darf der fleißigste Vogel vorne auf dem Bug
sitzen , während einer der
Fischer die anderen einsammelt und ein anderer den Touristen auf
Japanisch alles mögliche erklärt, was ich leider nicht
verstehe. Der Siegervogel genießt die Publicity jedenfalls
sichtlich, streckt die Brust raus, schlägt mit den
Flügeln und bekommt zum Schluss
als Belohnung noch einen Fisch .
Dies war jedenfalls einer der gelungensten Tage der Tour bisher.
Genau die richtige Mischung aus Besichtigungen von alten und neueren
Sachen, Spaß und Action. Declan hat sogar ein Stativ dabei, das
ich mir ausleihen kann, um als krönenden Abschluss des Abends
noch eine postkartenreife Nachtaufnahme der beleuchteten Festung zu
machen .
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